Es ist einfach zu tun…

„Nein.“ Schnell und klar ist meine Antwort, dass ich nicht springen werde. Keine Sekunde habe ich darüber nachgedacht. Ich sitze mitten auf einem Felsen im Meer (wir wurden mit einem Boot hierher gebracht), der mehr als 10 Meter hoch, oder  sogar noch höher ist…

Mein Blick gleitet über die Weite des Meeres. Wie beruhigend es sich hier vor mir ausbreitet. Ich genieße meinen Platz, die wärmenden Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Wie mutig die Frauen aus unserem Frauenkreis sind. Viele von ihnen stehen am Felsen und springen einfach. Unglaublich, welch Energie diese Frauen durchströmt, wenn sie wieder aus dem Wasser auftauchen.
Ganz ruhig, so ganz ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob ich vielleicht doch springen sollte, genieße ich den warmen Felsen, mit diesem Schauspiel.

Ich denke an meine Familie, an eine meiner Tanten, die, als sie jung war von einem 5 Meter Brett ins Wasser sprang. Man sagt, ab diesem Sprung wäre sie nie wieder wie vorher gewesen. Jetzt spüre ich die Angst, wie dieses Ereignis jetzt noch in meiner Familie wie auch in mir subtil wirkt. Diese Geschichte meiner Familie nimmt Raum in mir ein. Und dennoch fühle ich mich weiterhin innerlich ruhig, trotz der Bilder, die sich aus meiner Tiefe nun an die Oberfläche drängen.

Plötzlich ist es für mich ganz klar. Auch ich werde springen. Noch immer bin ich ruhig, noch tiefer und intensiver nehme ich diese Ruhe wahr, bin geführt, der Auftrag lautet, mich, wie auch meine Familie von diesem Muster zu befreien, jetzt, genau jetzt.

Ich stehe auf, trete vor zum Rand des Felsens… atme ein paar Mal ein und aus, denke an meine Familie, halte meine Hände vor meinen Brustkorb, spüre diese innere Ruhe wieder, hole tief Luft und springe.

Als ich auftauche spüre ich, wie sich etwas von mir löst, ich benenne es hier als altes, tief sitzendes Muster. Ich beobachte meinen Verstand, der sofort nach Worten sucht, um dieses Erlebnis zu beschreiben… Doris schwimmt neben mir, ich spüre ihre Verbundenheit und Wertschätzung diesem, meinem Sprung gegenüber. Wir ziehen uns am rutschigen, felsigen Ufer empor, legen uns gemeinsam auf den trockenen, warmen Felsen. Wellenartiges Zittern durchströmt meinen Körper, jede einzelne meiner Zellen ist durchflutet von dieser Energie. Dieses Gefühl kenne ich gut, wenn sich Begrenzungen, welcher Art auch immer zu lösen beginnen. Neuordnung findet statt. Die Sonne strahlt in ihrer ganzen Wärme auf uns herab, dennoch fröstelt es mich. Auch das gehört dazu.

Wir halten uns eine Zeit lang an den Händen. Wie Frauen füreinander da sein können, so ohne Worte, einfach so, das berührt mich ganz tief in meinem Herzen. Leise summe ich ein paar Töne, um meinen Körper zu beruhigen, genieße diese Momente mit all meinen Sinnen.
Irgendwann stehen wir wieder auf, ich schwimme zum Boot zurück, fühle mich wie neu geboren. Bin ganz bei mir, geerdet, lebendig, friedvoll, sanft…
Und wieder fühle ich mich ein Stückchen mehr befreit, entfaltet, zu tiefst dankbar…

Welch Geschenke mir das Leben bietet… Danke Leben…